Tako und Kalemegdan Disk – Wie es dazu kam english

Als ich ab 1988 regelmäßig nach Jugoslawien fuhr und dabei die dortige Rockmusik kennenlernte, stieß ich 1989 auch auf die beiden LPs der Belgrader Gruppe Tako (Genau so). Sie spielten symphonischen progressiven Rock auf einem erstaunlich hohen Niveau. Daß es sich um eine jugoslawische Band handelte, war nicht zu spüren, erinnerte die Qualität des Sounds ihrer größtenteils instrumentalen Stücke doch eher an Pink Floyd. Vier ausgezeichnete Musiker nahmen 1978 mit „Tako“ eine LP auf, die sehr international klang und sorgsam arrangierte Stücke auf einem für Jugoslawien sehr untypischen Klangteppich enthielt. Vor allem die zweite Seite offenbart ein sehr weites Spektrum an Ideen und Fähigkeiten. 1980 folgte mit „U vreći za spavanje“ (Im Schlafsack) das zweite Album. Noch ernsthafter und ausgereifter präsentiert die Gruppe ihre komplexen Kompositionen, diesmal gänzlich instrumental und der Sound ist hervorragend gemischt. Im Laufe der Jahre nahm ich trotz ständig steigender Preise aus Jugoslawien so viele gebrauchte LPs mit, wie ich bekommen konnte und begann diese einem überraschten Sammlerpublikum in Westeuropa anzubieten. Tako gehörte wie Igra Staklenih Perli zu den Gruppen, die die besten Kritiken erhielten und ihre beiden Alben wurden weltweit zu begehrten Raritäten.

Irgendwann genügten mir bloße Platten nicht mehr und ich versuchte – hauptsächlich in Belgrad – diejenigen ausfindig zu machen, die die Musik, die ich am meisten schätzte, damals eingespielt hatten. So bekam ich auch die Telefonnummer von Dušan „Dule“ Ćućuz, dem ich „mein Anliegen“ vortrug, Informationen über seine Gruppe Tako zu bekommen. Wir verabredeten uns bei ihm, wo ich von ihm und seiner Familie warm und gastfreundlich aufgenommen wurde. Dule erzählte mir einiges, was ich schon wußte und vieles, was mir neu war, denn er spielte nicht nur bei Opus und Tako, sondern war auch schon am Ende der Sechziger Jahre als Musiker aktiv. „Tako“ betreffend zeigte er mir auch mehrere Pappschachteln, die von damals übrig geblieben waren …

Da ich zu dieser Zeit regelmäßig in Belgrad verweilte, blieben wir in Kontakt, sahen uns alle paar Monate einmal und entwickelten eine lockere Freundschaft, die sich im Frühjahr 1992 zu vertiefen begann. Zwischenzeitlich war ich mit meiner Liebe für jugoslawische Rockmusik nicht mehr alleine – nach einigen Platten wie zum Beispiel dem „mind-blowing“ ersten Album von Igra Staklenih Perli wurde ich nun öfters gefragt. Da sich meine Kontakte zu Belgrader Musikern ausdehnten und ich mittlerweile praktisch die komplette YU Rock LP-Produktion bis 1980 in meiner Sammlung hatte und auch sehr viel hörte, entwickelte sich langsam die Idee, einige dieser Platten in Deutschland wiederzuveröffentlichen.

Das Hauptproblem waren die Masterbänder, denn wenn ich schon etwas machen wollte, dann sicher nicht von einer knisternden Original-LP als Grundlage. 1991 begann das Label – eben aus Mangel an Masterbändern – mit Igra Staklenih Perlis bislang unveröffentlichten Kassettenaufnahmen. Als diese ebenso faszinierende wie bisweilen auch entnervende Zusammenarbeit im Frühjahr aus verschiedenen Gründen zu stagnieren begann, erinnerte ich mich an Dules Pappschachteln und besuchte ihn wieder einmal. Wir kamen schnell auf den Punkt, Dule öffnete die Kartons - und eben: Die „Tako“-Schachtel war bis auf ein Zusatzstück leer, der „U vreći za spavanje“-Karton dagegen enthielt acht statt der sechs 1980 auf der LP veröffentlichten Stücke. Dule überprüfte das Band und erklärte mir, damals sei es so üblich gewesen, mehr Stücke aufzunehmen, als dann für die abschließende Plattenproduktion gebraucht wurden …

Natürlich war nun auch meine Neugier geweckt. Immerhin ein Masterband mit Zusatzstücken, das mußte auf jeden Fall geprüft werden. So gingen Dule, Miroslav (der Gitarrist der Gruppe) und ich am 1. Mai ins Studio Akademija im Keller der Akademie der Künste, in dem Miroslav arbeitete und checkten das Band. Es war unbeschädigt, die „Zusatzstücke“ fügten sich nahtlos ein und ich war vom Klang begeistert. Die Zusammenarbeit zwischen Tako und Kalemegdan Disk hatte begonnen: Konstuktiv und voller Vertrauen – wir konnten uns einfach aufeinander verlassen. Nun war als nächstes zu klären, welche Tako-Aufnahmen eigentlich noch existierten , denn Dule erzählte von einem Konzert im Studio M bei Radio Novi Sad, das damals komplett mitgeschnitten wurde. Außerdem hatten wir ja zu ihrer ersten LP noch kein Masterband. Dule versprach jedenfalls, sich darum zu kümmern.

Mitte Mai sahen Dule und ich alles Bildmaterial durch, das er aus seiner Tako-Zeit noch hatte (Dias und Fotos) und stellten eine erste Auswahl für zwei LPs zusammen. Mit Moma Rajin, Designer und Herausgeber des Belgrader Rockmagazins Ritam, vereinbarten wir, daß er für beide Cover das Design entwerfen würde.

Am 20. Mai fuhren Dule und ich nach Novi Sad, um zu sehen, was beim dortigen Radio noch an Aufnahmen archiviert war. Was ihr erstes Album anging, hatten wir Glück: Die Tonbänder von sämtlichen Stücken existierten noch, sogar das zuerst fehlende „Druga strana mene“ (Die andere Seite von mir) wurde noch gefunden; die Konzertaufnahme dagegen wurde offenbar irgendwann gelöscht. Die Verhandlungen begannen und zum Schluß konnten wir das Originaltonband kaufen, das Radio überspielte sich die Aufnahmen und Dule unterschrieb einen offiziellen Vertrag, den der Anwalt des Hauses auf die Schnelle selbst getippt hatte: 3 Ausfertigungen für uns und 3 für Radio Novi Sad.

Gleichzeitig entwickelten sich Dias, Schriftzüge und Textteile in drei Tagen bei Moma zu zwei fertigen Covers. „U vreći za spavanje“ war komplett gelungen, die Innenseite für die erste LP ging allerdings daneben und das Dia für die Rückseite hatte zwar viel Atmosphäre, aber technisch wenig Qualität. Meine Freundin Vesna und ich einigten uns mit Moma auf eine neue Innenseite, die wir dann später irgendwie zugeschickt bekommen sollten und bereiteten unsere Abfahrt nach Deutschland vor.

Am 25. Mai ergab sich dann plötzlich ein neues Problem: Dule und Miroslav wollten sich nicht mehr von ihren Masterbändern trennen und bestanden auf einen Folienschnitt in Jugoslawien. Ich war entsetzt, war mir doch klar, daß es in Belgrad nicht möglich war, technisch hochwertige Folien schneiden zu lassen und Zeit hatten wir auch nicht mehr. Erneut also Verhandlungen um die Masterbänder, bei denen wir die Positionen des jeweils anderen jedoch verstanden. Ich wollte bestmögliche Qualität und Dule und Miroslav scheuten davor zurück, das Wertvollste aus ihrer Musikerzeit aus den Händen zu geben. Wer weiß, wie es ausgegangen wäre, hätte ich nicht unerwartete Unterstützung von jugoslawischer Seite bekommen: Eine charmante Flasche „Rakija“ (Schnaps) drängten Miroslavs und vor allem Dules Bedenken soweit zurück, daß ich sie schließlich überzeugen konnte, zuzustimmen …

Anfang Juni bearbeiteten Vesna und ich zusammen mit unserem Tontechniker Michael Carstens die Masterbänder. Mit dem Ergebnis waren wir beide zufrieden, mit unserer ersten Studioerfahrung auch. Geld hatten wir nun keines meht, so daß der nächste Schritt, nämlich die Folien schneiden zu lassen, erst Ende Oktober bei Wilfried Zahn in Norddeutschland durchgeführt werden konnte.

Die nun folgende Periode der Vorbereitung beider Tako-LPs zusammen mit den Igra Staklenih Perli-Veröffentlichungen erwies sich allerdings als ausgesprochen mühsam und überstieg auch unsere finanziellen Möglichkeiten. Probleme um die „U vreći za spavanje“-Preßmatrize und um das „Tako“-Cover schleppten sich über Monate dahin und das Ende war nicht abzusehen. Erst im September 1993 konnten wir endlich die Cover drucken lassen, nachdem uns Moma für die „Tako“-LP eine neue Innenseite geschickt hatte und Scharaf Girges uns mit einer neuen Rückseite ausgeholfen hatte. Kurz darauf wurden die Platten gepreßt; danach zwangen mich gesundheitliche Probleme dazu, das Projekt noch einmal für ein Vierteljahr zu unterbrechen …

Jetzt – im Januar 1994 – wünschen wir Euch endlich angenehme Momente mit der Musik und der Atmosphäre der Gruppe Tako. Schade ist nur, daß wir Djordje Ilijin nicht kennenlernen konnten, da er seit einigen Jahren in Amerika lebt. Djordje, ein hochtalentierter Musiker auf mehreren Instrumenten war wahrscheinlich das kreativste Tako-Mitglied. Er nahm 1983 noch die Solo-LP „Zabranjeno prisluškivanje“ (Mithören verboten) auf, auf der er außer dem Schlagzeug alle Instrumente selber spielte.

Text: Thomas Werner 1994

Veröffentlicht 1994 als Beilage zur Kalemegdan Disk LP KD 005 Tako: U vreći za spavanje.