Tako – Erinnerungen des Bassisten Dušan Ćućuz english

Nach dem Auseinanderfallen der ersten Opus-Besetzung wollte ich eine Gruppe aus Musikern mit einer Zuneigung zu komplexer Rockmusik aufbauen. In dieser Zeit (Mitte der Siebziger Jahre) gab es in der internationalen Rockszene viele Jazzrock- und Symphorockgruppen, die auch auf einige jugoslawische Musiker großen Einfluß ausübten. Einer von ihnen war Djordje Ilijin, der Keyboards, Flöte und Mundharmonika spielte. Ich lernte Djordje im Frühjahr 1975 kennen. Wir hatten beide bereits eigene Kompositionen in diesem Stil, die wir einander vorstellten. Wir spielten sie zusammen und waren bald davon überzeugt, daß sich aus diesem Material etwas machen ließe. So luden wir den Gitarristen Sava Bojić (er spielte in der ersten Formation von Pop Mašina) und den Schlagzeuger Milan Lolić zum Mitspielen ein: Damit hatte sich die erste Besetzung der Gruppe Tako gebildet.

“Tako“ heißt wörtlich übersetzt “Genau so“. Der Gruppenname steht für das Grundprinzip unseres Konzeptes: Wir wollten keine Musik nach den Anforderungen der Massenmedien machen, sondern damit unsere Gefühle und unseren Geschmack ausdrücken – einzig allein “genau so“ wollten wir spielen. Wir wußten, daß eine solche Einstellung vieles erschweren würde, aber das war der Preis des ehrlichen Auftretens ohne irgendwelche Kalkulationen.

Nach mehrmonatigen Proben und Live-Auftritten in kleineren Städten nahmen wir im Studio VI von RTB (Radio Televizija Beograd – eine der beiden größten jugoslawischen Plattenfirmen) erste Stücke auf. “ Čujem svoje misli“ (Ich höre meine Gedanken) und “Daždevnjak“ (Salamander) wurden den Plattenfirmen angeboten, allerdings vergeblich, weil sie zu unkommerziell waren. Bereits damals wurde deutlich, daß wir nur unter großen Schwierigkeiten eine LP aufnehmen können würden, aber wir liessen uns nicht entmutigen und arbeiteten noch härter. Im November 1975 stellten wir uns erstmals dem Belgrader Publikum in der Halle Pionir vor, zusammen mit den bekanntesten Gruppen der Stadt. Weil unser Auftritt nicht unbemerkt blieb, bekamen wir bei RTB einen neuen Aufnahmetermin im Studio VI. Die Stücke waren “Lena“ und “Čudan grad“ (Seltsame Stadt).

1976 arbeiteten wir an neuen Kompositionen und sammelten Live-Erfahrungen. Im Sommer traten wir im internationalen Jugendzentrum von Dubrovnik auf. In der Zwischenzeit wurde unser Gitarrist Sava Bojić in die Armee eingezogen und mit dem Schlagzeuger war alkoholbedingt kein Staat mehr zu machen. Während Miroslav Dukić als neuer Gitarrist schnell gefunden wurde und sich außergewöhnlich gut in die Gruppe einfügte, war es mit dem Ersatz für Milan Lolić schwieriger. Einige Schlagzeuger kamen und gingen, bis Anfang 1977 mit Slobodan Felekatović der Richtige zu uns stieß, womit wir unsere definitive Besetzung gefunden hatten. Die neuen Bandmitglieder stellten eine große Bereicherung dar, wodurch das ganze Tako-Projekt noch ernsthafter wurde. Die Proben dauerten jetzt den ganzen Tag und in der Pause diente uns das Fender-Klavier als Tisch zum Mittagessen.

In der neuen Besetzung traten wir erstmals in der Zemuner Halle Pinki neben Pop Mašina, Opus, Tilt und Zebra auf. Durch unsere Spielweise setzten wir uns völlig von den anderen Gruppen ab und hinterließen bei Publikum wie Kritikern einen guten Eindruck. 1977 fuhren wir jedes Wochenende mit unserem alten VW-Bus zu Auftritten. Wir spielten am “Belgrader Sommer“ im Dom Omladine (Haus der Jugend) und bekamen dafür in der Zeitung Politika die beste Kritik. Danach folgte ein Open-Air-Konzert am Košutnjak in Belgrad vor 100.000 Zuhörern zusammen mit Zdravo, Leb i Sol und Bijelo Dugme. Letztere standen am Höhepunkt ihrer enormen Popularität und wir bekamen die Gelegenheit, als Vorgruppe auf ihrer gesamten Tournee in großen Hallen und Stadien vor Zehntausenden von Leuten zu spielen – ohne Honorar, nur um von einem breiteren Publikum gehört zu werden.

Wir kamen am Boom Pop Festival in Novi Sad gut an und organisierten am 23. November 1977 zusammen mit der Gruppe S Vremena Na Vreme das erste Quadro-Experiment. Alle diese Ereignisse und die guten Kritiken, die wir in dieser Zeit bekamen, brachten uns den Status einer Kultgruppe, über die geredet wurde. Trotzdem waren wir für Jugoslawiens Schallplattenfirmen weiterhin nicht „kommerziell“ genug. Wir arbeiteten jedoch weiter konzentriert und gaben am 17. Februar 1978 im großen Saal des SKC (Studentisches Kulturzentrum) in Belgrad ein eigenständiges Konzert, worauf sich RTB und RTV Ljubljana zu interessieren begannen.

Der Auftritt am Jugendfestival in Subotica brachte uns die Unterschrift des Vertrages für die erste LP mit RTV Ljubljana. Das Material wurde im Studio M – Radio Novi Sad in nur 36 Stunden aufgenommen und gemischt. Dank der Geschäftigkeit der RTV-Mitarbeiter erschien die Platte zwei Wochen nach der Übergabe der Masterbänder. Glücklich über unsere erste LP organisierten wir ein kostenloses Konzert am Kalemegdan, der historischen Belgrader Festung, das gleichzeitig der Präsentation der Platte diente. Es kamen um die 5000 Zuhörer und es zeigte sich, daß wir schon unser Publikum hatten.

Mit der Veröffentlichung unseres ersten Albums erhielten wir mehr Sendezeit im Radio und manchmal auch im Fernsehen. Live-Auftritte blieben jedoch unser bevorzugtes Ausdrucksfeld. Sie waren für diejenigen gedacht, die etwas anderes hören wollten als das, was die populären Gruppen spielten. Eines unserer besten Konzerte fand im Studio M in Novi Sad statt. Nach dem Auftritt standen die Zuhörer lange, verabschiedeten uns mit donnerndem Applaus und das Radio übertrug das ganze Konzert. Am Boom Pop Festival 1978 waren wir bereits eine Band, die das Publikum kannte und bekamen für unseren Stil und guten Sound den verdienten Beifall.

Trotz alledem blieb nun ein großer Teil der Kritiker reserviert oder war sogar voller schlechter Absichten, da wir uns nie auf ihre “gut gemeinten“ Ratschläge einließen, kommerzieller zu werden und weil wir uns beständig weigerten, ihre Sympathien zu erkaufen. Uns war eben ehrliches Spielen am wichtigsten und das konnten die Zuhörer auf unseren Konzerten fühlen.

1979 war für uns ein ziemlich schlechtes Jahr. Während der Vorbereitung des Materials für die zweite LP erkrankte Djordje an chronischer Arthritis und kam ins Krankenhaus. Unsere Arbeit wurde zerrüttet, Nervosität war allanwesend und in dieser Situation kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Miroslav und den restlichen Mitgliedern, was zu seinem Ausscheiden führte. Er gründete seine eigene Band und wir suchten Ersatz. Nach seinen erfolglosen Versuchen kehrte Miroslav in die Gruppe zurück, die damit wieder komplett war. Neue Ideen und tägliche Proben beendeten diese schlechte Phase.

Unzufrieden mit den Verhältnissen und der Arbeit in den staatlichen Studios entschieden wir uns, das Material für die zweite LP in der zweiten Aprilhälfte 1980 in Enco Lesićs privatem Studio aufzunehmen. Die Zusammenarbeit mit Enco und den Tontechnikern war viel besser als bei der vorigen Platte. Entspannt und ohne Eile wurde das Material eingespielt und dann zuerst RTB angeboten. Dieses Mal wollten die RTB-Verantwortlichen nicht wieder den gleichen Fehler machen wie 1978 und unterschrieben den Vertrag mit uns. Um die Studiokosten bezahlen zu können, spielten wir den ganzen Sommer an der Adriaküste.

“U vreći za spavanje“ (Im Schlafsack) erschien im September und am 8. September 1980 fand die Präsentation im Belgrader Dom Omladina statt. Konzerte, Aufnahmen für mehrere Fernsehsendungen und Gastspiele im Radio waren das, was wir bis Ende des Jahres unternahmen. Als eine besondere Aktion für den YU Rock spielten Anfang 1981 Belgrader Gruppen in Zagreb und umgekehrt. Wir kamen zwar beim Zagreber Publikum sehr gut an, doch die Kritiker, die sich in der Masse Punk und New Wave zugewendet hatten, verloren über unseren Auftritt nur ein paar Sätze.

In dieser Atmosphäre, als der “neue Rock“ in Jugoslawien regierte und Slobodan in die Armee eingezogen wurde, entschlossen wir uns, unsere Arbeit als Rockgruppe zu beenden. Wir gaben an der Philosophischen Fakultät in Belgrad ein letztes Konzert und verabschiedeten uns vom Publikum. Slobodan ging zur JNA (Jugoslawische Volksarmee), Miroslav begann sich mit der Arbeit als Tontechniker und Produzent zu beschäftigen, Djordje unterrichtete wieder an der Schule und arbeitete später als Ethnologe im Museum und als Tontechniker und ich unterstützte Konzerte in Belgrad mit meiner Anlage.

Zehn Jahre, nachdem wir unsere aktive Arbeit als Rockgruppe beendet hatten, tauchte Thomas Werner, Schallplattensammler und Liebhaber der YU-Rock-Szene der Siebziger Jahre in Belgrad auf. Er nahm Kontakt mit mir auf und schlug nach einigen Treffen vor, unsere beiden LPs auf seinem Erlanger Label Kalemegdan Disk wiederzuveröffentlichen. Nach zehn Jahren ergab sich so auf einmal die unglaubliche Chance, unser Material von einer besseren Matrize zu pressen und bei der Vorbereitung der Cover die Ideen von damals angemessen zu berücksichtigen. Deshalb akzeptierten Miroslav, Slobodan und ich Thomas´ Vorstellungen (Djordje lebte seit mehreren Jahren in New York). Das “U vreći za spavanje“-Masterband befand sich noch bei mir und das Masterband zur ersten LP wurde bei Radio Novi Sad gefunden und von uns gekauft. Auf der ersten LP befindet sich zusätzlich “Put na jug“ (Reise in den Süden) und auf der zweiten “Izgubljeno ništa“ (Nichts verloren) und “Horde mira“ (Horden des Friedens), wodurch sich die Reihenfolge der Kompositionen veränderte. Zusammen wählten wir Dias für die Covers aus und Thomas beauftragte Dejan Gavrilović, die Druckvorbereitungen (Lithos) durchzuführen. Ende Mai 1992 fuhren Thomas und Vesna mit dem kompletten Material für beide Platten nach Deutschland, in der Hoffnung, “da će sve biti kako treba“ (daß alles so wird wie es sein sollte) ...

Text: Dušan Ćućuz 1993, Übersetzung aus dem Serbokroatischen: Thomas Werner

Veröffentlicht 1994 als Beilage zur Kalemegdan Disk LP KD 004 Tako: Same