Igra Staklenih Perli english

Igra Staklenih Perli (Das Glasperlenspiel) waren im November 1993, als ich diese Zeilen schrieb, längst zu einer Legende geworden, und zwar überall dort, wo die Gruppe nie die Möglichkeit hatte, aufzutreten: Außerhalb dem Jugoslawien der Siebziger Jahre, einem Land, das scheinbar sicher seinen Kurs zwischen den beiden weltpolitischen Blöcken jener Zeit steuerte und von dessen Hauptstadt aus die Idee der Bewegung der blockfreien Staaten nicht unerheblich mitgetragen wurde. Und Belgrad war auch der Ort, wo 1976 für Igra Staklenih Perli alles begann:

Zoran Lakić (Orgel), Predrag „Pedja“ Vuković (Percussion) und Vojislav „Joshua N´Goma“ Rakić (Gitarre) spielten erste psychedelische Improvisationen, um sich ein halbes Jahr später mit dem Bassisten und Sänger Draško „Drakula“ Nikodijević auf erste Live-Auftritte vorzubereiten. So gaben sie dann als Quartett 1977 im Belgrader Dadovo-Theater ihr erstes öffentliches Konzert: Sphärische psychedelische Rockmusik mit optischer Unterstützung durch Kostüme, Masken und eine Lightshow mit Laser und Diaprojektoren. Um die Schlagkraft der Rhythmussektion zu verstärken, spielte ab Herbst 1977 Dragan „Šole“ Šoć zusätzlich Schagzeug.

Als der gerade aus Amerika zurückgekehrte Regisseur Stanko Crnobrnja die Gruppe zum ersten Mal hört, läd er sie ein, in dem Fernsehmagazin „Nedeljom popodne“ („Sonntag nachmittags“) aufzutreten. Im direkten Anschluß an einen Beitrag über Erich von Däniken spielen ihren „Majestetski kraj“ (Majestätischer Schluß). Während bei Stanko das Telefon heiß läuft, fragt der Musikredakteur Mića Marković die Gruppe, ob sie nicht im 24-Kanal-Studio von RTB (Radio Televizija Beograd) eine LP aufnehmen möchte …

Schlecht produziert und von nur 28 Minuten Dauer war die Platte „Igra Staklenih Perli“ für die Gruppe schlußendlich eine Enttäuschung, verkaufte sich jedoch für jugoslawisch Verhältnisse trotzdem gut: Knapp über 10.000 Exemplare sollen in den Handel gekommen sein und trotz aller Mängel war sie Jugoslawiens interessanteste Neuerscheinung des Jahres 1979.

Bereits 1978 nahm Goran Cvetić, ein Freund der Gruppe, ein Konzert in der Belgrader zahnmedizinischen Fakultät mit Equalizer auf Kassette auf. Auf diesem Konzert („Soft explosion live“) spielte Igra Staklenih Perli ihre komplette erste LP und drei weitere Stücke. Der Höhepunkt auf der Bühne war ein völlig verrückter Auftritt im Belgrader Dom Omladina (Haus der Jugend) im Frühjahr 1979, der damals im Belgrader Underground ein zentrales Gesprächsthema war, da es der Gruppe gelang, nahezu das gesamte Publikum in Trance zu versetzen. Zwischen 1976 und 1980 gaben sie rund 25 Konzerte, den größten Teil davon im SKC (Studentisches Kulturzentrum) in Belgrad und haben von ihren Zuhörern niemals Eintritt verlangt.

Der maßgeblich von Zoran Lakić, der auch so etwas wie eine Managerfunktion für die Gruppe ausübte, vorangetriebene Versuch, die mit dem Debütalbum in der YU-Rock-Szene gewonnene Position mit einer baldigen Nachfolge-LP zu festigen und auszubauen, mislang, weil das Material noch nicht ausgereift war und RTB keine angemessene Studiozeit zur Verfügung stellen wollte. Draško stieg entnervt aus der Gruppe aus, deren ganzes Konzept diese Krise nicht überleben konnte. Die Veröffentlichung von „Vrt svetlosti“ („Garten des Lichts“) führte dann endgültig zum Ende der Formation, die das besondere an dieser Gruppe ausgemacht hatte. Igra Staklenih Perli spielte in der Folgezeit in wechselnden Besetzungen noch ein paar Jahre Wave, ohne etwas davon zu veröffentlichen.

Text: Thomas Werner

Veröffentlicht 1993 als Beilage zur 2. Pressung der Kalemegdan Disk LP KD 001 Igra Staklenih Perli: Soft Explosion Live / Tiha eksplozija u živo.