Igra Staklenih Perli: Drives – Ein Experiment in Zeitenreise english

Vor einiger Zeit (und das war Ende des Frühjahres 1977) hatten wir Zugang zu einem besseren Recording-Equipment. Wir hielten Aufnahmesessions ab. Eine von ihnen, in der Nacht des 28. Aprils, war speziell – wir spielten mehr als vier Stunden ohne Pause. Sie wurde auf drei Kassetten aufgenommen, die wir stolz als „Triple Live 1, 2 & 3“ bezeichneten. Wir hörten sie, spielten sie unseren Freunden vor und irgendwie verschwanden sie mit der Zeit. Als das Projekt mit Thomas´ Kalemegdan Disk begann, hatten wir nur „Triple Live Nr. 1“. Sie enthielt praktisch nichts verwertbares für unsere gegenwärtigen Zwecke. Nachdem unser Teil der Arbeit an KD 1 und KD 2 beendet war, gab Ljiljana, Drakulas ehemalige Partnerin und meine langjährige Freundin bekannt, daß sie sich „gerade jetzt“ erinnere, daß sie irgendwo die Kassette mit unserer Musik, die als „Triple Live Nr. 3“ bezeichnet war, herumliegen hatte. Wow, ganz plötzlich hatten wir knapp 90 Minuten „neue“ Musik, machtvolle Musik, die auf verschiedene Arten als Rückgrat einer interessanten LP geformt werden konnte. So setzen wir sie in Kombination mit Material einer ähnlichen Session vom 28. – 29. Juni (mit dem selben Equipment) zusammen. Wir hoffen noch mehr von „Triple Live“ präsentieren zu können, besonders wenn wir es schaffen sollten, „Triple Live Nr. 2“ zurückzubekommen – aber diese Geschichte wird in den „Weiteren unglaublichen Abenteuern des zweiten fehlenden Bandes“ erzählt werden ...

Warum nennen wir es „Live“, obwohl nur vier von uns auf Joshuas Dachboden spielten? Weil wir, während wir spielten, alle unsere Gefühle und Fähigkeiten gaben, ohne wegen irgendetwas (wie das gelegentliche Eindringen von Radio-Amateuren) zu unterbrechen, weil „The Show must go on“ und du kannst nicht in der Mitte des Auftritts abbrechen und die Leute bitten, eine halbe Stunde zu warten, während wir das Ganze wiederbeleben. Jedes „Stück“ entwickelte sich irgendwie, um als Abschußrampe für das nächste zu dienen. Das ist auch die Idee, die wir auf unseren Auftritten verwirklichen wollten: Wir benützten Sound mit der Hilfe von Licht, Dias, etc., aber in erster Linie DEN SOUND SELBST, um einen Pfad zu schaffen, der dich durch ständig wechselnde und sich ausdehnende Ausblicke führt und Dir hilft, neue und hoffentlich überraschende zu entdecken. Und wir hatten doch ein Publikum – wir vier waren ein williges und dankbares Publikum, eigentlich sogar das bestmögliche! Der zweite Teil der Zuhörerschaft waren Kräfte über, unter, um und in uns, die uns „ein Ohr liehen“, weil es uns „erlaubt“ war, gelegentlich das Jenseits zu erreichen („to look over yonder“, wie Jimi es zu sagen pflegte), etwas neues und schönes hervorzubringen und zur Vielfalt der Welt wenigstens ein kleines bisschen hinzufügen.

Wie auch immer, die Zeit verging und wir benützten diese Bänder als eine Art „offenes Minenfeld“. Zum Beispiel wurde die allererste Version von „Lyzzard square“ in dieser Nacht gespielt.

Nachdem alle „Drives“ (Vom Drive-in zu den tiefsten inneren Drives) zusammengesetzt waren, war das allgemeine Gefühl, daß wir etwas potentiell sehr machtvolles hatten – jedoch etwas fehlte. Und wir fühlten uns sehr getrieben, etwas damit zu tun. Offensichtlich war das erste ein Mangel an Gitarre in „Warriors“, was nicht heißt, daß Joshua nichts spielte – er spielte „Sound-Bearbeitungsmaschinen“. So wurde die Formel sichtbar: Ein Stück ohne Gitarre + Joshua + Gitarre = Overdubbing. Generell sind Overdubs unserer Art Musik zu erzeugen fremd und deshalb führten wir es durch – es war neu und wir wollten „das Fremde kennenlernen“, einen neuen Standpunkt probieren (obwohl es demjenigen in Jugoslawien, der jetzt – im Frühjahr ´92 – diese Zeilen schreibt, einfacher erscheint, das Fremde zu treffen als das Menschliche).

Die Idee war nicht, Overdubs der üblichen Art zu machen, über oder neben diese Bänder zu spielen, sondern zu sehen, ob wir mit diesen Typen, die die jetztigen Basisbänder vor mehr als zehn Jahren geschaffen hatten, zusammenspielen konnten. An ihrem Akt des Schaffens teilzuhaben und es genauso zu tun, wie sie es taten. Die Tatsache, daß wir diese Typen waren, half, muß ich zugeben, aber WIR sind jetzt anders und mehr als SIE (und irgendwie auch weniger).

Vorbereitungen: Keine Proben, sondern Spielen mit den kompletten Bändern, um ihre Grundstimmung, ihre Wechsel, Twists, Ins und Outs aufzunehmen. Es gab keine Stücke in Teile und Takte zerlegen, kein Arrangieren im üblichen Sinn.

Wie die Synchronität es so wollte, war derjenige, der uns ein geeignetes Studio anbot, Zoran „Vodoo“, selbst ein ausgezeichneter Musiker mit einem anderen Geschmack, aber mit ähnlicher Einstellung. Plötzlich fühlten wir das Bedürfnis (oder wurden wir getrieben?), ein neues starkes Gewürz zu den „Drives“ hinzuzufügen. Und dieses Gewürz war Voodoo. Ihm gefielen Idee und Vorgehensweise, besonders die Idee, jeden, den Besitzer inclusive, hinauszuwerfen, während wir spielten. Die Originalidee bestand nur aus ein paar „Touch-ups“, doch du weißt nie, wenn du mit Voodoo-Magie spielst – oder nicht? Die Anweisungen an ihn bestanden nicht aus musikalischen Begriffen, sondern aus Begriffen der gewünschten Gefühle und psychologischen Effekte.

Und so wurde „Drives“ ein neues Projekt: EIN EXPERTIMENT IN ZEITENREISE.

Regeln für alle:
1. Vermeide Mehrspurüberlagerungen, Zusammenschneiden und andere Studio-Tricks – sondern spiele „live“ (im oben genannten Sinn) und nimm direkt mit dem „Basisstück“ auf ein Zweispurband auf – einfach so, wie SIE es taten.
2. Versuche, schon das erste Mal aufzunehmen. Bereite so lange vor wie nötig, dann mach es einfach ohne zu denken.
3. Unternimm nur Dinge, die SIE gutheißen würden.

Jetzt kommunizierten wir also … Ich könnte über umkehrbare Pfeile der Zeit, Eigenschaften von Hyperraum, „Tachion-beam“-Ausstrahlungen, mannigfaltige astrale Projektionen, Schatten-Ichs, etc. erzählen … aber die einzig wichtige Tatsache ist, daß ich es wirklich genoß, mit dem „anderen Pedja“ zu spielen. Er kooperierte ausgezeichnet, besonders in „Crazee-Lazee“. Ich konnte buchstäblich hören, wie es ihn erfreute. So hatte ich das Privileg, zweimal mit mir selbst zu spielen: Einmal jetzt in der Vergangenheit und einmal jetzt in der Gegenwart (es gibt sowieso nur ein ewiges Jetzt). Dasselbe gilt für Joshua und Voodoo war überrascht, wie gut SIE mit ihm zusammenspielten.

Regeln werden aufgestellt, um gebrochen zu werden. „Return …“, der letzte Teil von „Drives“ und „Crazee-Lazee“ wurden so aufgenommen, wie wir es geplant hatten. (Gut, nicht hundertprozentig … Das Klavier in „Crazee-Lazee“ wurde später aufgenommen, allerdings auf dieselbe Art.) Aber mit „Warriors“ hatten wir Probleme. Das Stück war sehr lang und Studiozeit ist immer kurz; eines der wenigen Dinge, die ich hasse, ist die Studio-Uhr! So benützten wir ein Mehrspurband und nahmen zwei Spuren Percussion, zwei Spuren Keyboards und eine Spur Gitarre auf, jedoch jedes Instrument in einem Zug, die ganzen 13 Minuten lang. (Für Daten-Freaks: Die Gitarre wurde dreimal aufgenommen und uns wurde „empfohlen“, den zweiten Versuch auszuwählen.) Ich spielte Percussion auf meine gewöhnliche Art. Man sagt, ich spiele Percussion auf eine seltsame Weise und produziere seltsame Rhythmen. „Seltsam“? Ich weiß nicht, ich bin einfach so. Jedenfalls spiele ich alles mit den Händen, ohne Sticks, aber die Klänge wurden auf solche Art ausgewählt und behandelt, daß sie die volle Funktion eines Schlagzeugs übernahmen, wo immer es nötig war. Voodoo fügte wirklich seltsames Spielen (wir würden auch nichts anderes akzeptieren) und gute Ideen (Koto-ähnliche Klänge statt der vorgeschlagenen Glocke) hinzu. Joshua zog seine Sache durch: Er benützte die Gitarre als soundproduzierende Vorrichtung und sorgte für unerwartete Klänge, die nicht auf die E-Gitarre als solche begrenzt blieben. Elektrische Gitarre erscheint hier nur als physikalische Manifestation auf der Wirklichkeitsebene als Mittel, Sound geschaffen von Seele, Herz, Ka, Atman (was auch immer) in Schwingungen von Elektronen und schlußendlich in eine Wellenfront von Luft-Molekülen zu transformieren! Zoran half, alles zusammenzusetzten und das war´s.

Einige von Euch werden „Return …“ wiedererkennen, aber es ist nicht nur „Return to Lyzzard Square“, es wird Euch auch an andere Plätze zurückbringen, laßt es einfach geschehen. Das „Drives“-Frontcover wurde in „method-approach“ produziert – ohne Skizzen und ausführliches Planen der Komposition. Ich ließ es in meinem Geiste wachsen und brachte dann einfach den Wachstumsprozeß zu Papier. Auf der Rückseite habe ich das Vergnügen, eines meiner älteren Bilder ein wenig aufgefrischt zu präsentieren. Es ist annähernd aus derselben Zeit wie die Originalbänder und es war wirklich nicht schwierig, es in das „Drives“-Konzept einzupassen. Und nicht zu vergessen: Küsse von Drakula aus New York. Er spielt und singt hart, aber beißt sanft.

Wir mögen diese Fahrten, wir genießen es, von ihnen getrieben zu werden … Ich hoffe Ihr auch. Habt Freude damit, seid vorsichtig und erforscht, erforscht alles..

Text: Predrag Vuković, Bearbeitung Vesna Jakovljević, Übersetzung aus dem Englischen: Thomas Werner

Veröffentlicht 1994 als Beilage zur Kalemegdan Disk LP KD 003 Igra Staklenih Perli: Drives.